Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

 

Freundschaft

Predigt zur Konfirmation 2013

 

Liebe Gemeinde,

als ich vor Wochen die Konfis fragte, ob sie vielleicht eine Idee für das Thema im heutigen Konfirmationsgottesdienst hätten, antworteten einige wie aus der Pistole geschossen: Freundschaft.
Okay, sagte ich und erinnerte mich, dass ich vor bald zwanzig Jahren schon einmal bei einer Konfirmation über Freundschaft gepredigt habe. Damals auf Anregung – einiger Eltern. Ich las die Predigt von damals noch mal und dachte, das klingt wie aus einer fernen Zeit. Nicht das Smartphone, sondern die Fernbedienung am Fernseher war das Mittel der Wahl, statt weltweites Internet gab es nur zwanzig TV-Programme. Unsere Welt hat sich geändert in den Jahren seit eurer Geburt und sie dreht sich weiter. Freundschaft ist aber immer noch ein Thema.

Ich habe dann mit euch so eine Ideensammlung gemacht, wir haben auch testweise ein kleines Video aufgenommen, aber letzte Woche entschieden, das zeigen wir dann besser heute doch nicht. Einige Gedanken und Anregungen kommen dennoch vor, so das Foto vorne drauf und das Zitat von Aura Dione. Zum Song von Glasperlenspiel kommen wir später.

Freunde. Freundinnen. Vor allem die eine, die beste Freundin. Oder der beste Freund. Lebendige Freundschaften. Facebook-Freunde. Davon kann man viele haben. Falsche Freunde. Die tun weh. Sandkastenfreundschaften. Manche halten ein Leben lang.

Wenn ich anfange, zu beschreiben, was Freundschaft ist und was nicht, dann merke ich schnell, da gibt es zwei Abgrenzungen. Die eine geht zur Liebesbeziehung zweier Menschen, die andere zur Familie. Die Liebesbeziehung ist eine Paarbeziehung, Traum, Sehnsucht, Realität, Leidensgrund unzähliger Menschen. Etwas ganz anderes als Freundschaft. Ebenso die Familie. Die suche ich mir nicht aus. Da verbindet uns eine Geschichte, ein unsichtbareres Band der Zusammengehörigkeit, oft auch das Blut, aber nicht nur. Ort der Geborgenheit, der Heimat, des Vertrauens, genauso wie leider oft auch Ort von Streit, Hass und Gewalt.

Freundschaft aber, das ist etwas ganz anderes. Ja, es gibt auch noch die Beziehungen am Arbeitsplatz und das Ehrenamt oder der gemeinsame Sport oder was auch immer im Verein. Aber Freundschaft, das löst bestimmte Hoffnungen, Sehnsüchte, Gefühle aus. Freundschaft ist so eine Beziehung »dazwischen«.
Und dazu passt das Lied, dass von vielen von Euch genannt wurde, Freundschaft von Glasperlenspiel. Das hören wir uns jetzt einmal an.

– Lied –

Ich wiederhole noch mal einige Passagen.

Alles will ich mit euch teilen
Meine Welt ist groß
Von Abenteuern
Wie ich um die Häuser zog
Endlich bin ich da

Ich hab' euch so vermisst
Ihr habt mir so gefehlt
Habt euch lang nicht gesehen
Hab' so viel zu erzählen
Und wie sich die Welt heute Nacht
Um uns dreht
Auf dass diese Freundschaft
Niemals vergeht

Ohne euch ist alles anders
Mit euch macht alles viel mehr Spaß
Feiern wir, stoßen wir an auf diesen Bund
Und das nächste Jahr
Ich will euch nie verlieren
Ihr seid mir so nah
Ihr seid wunderbar

Freundschaft, das sind Beziehungen dazwischen, sie ermöglichen etwas, das die Liebe und die Familie nicht geben können und die Nachbarn und Arbeitskollegen auch nicht, wobei es unter diesen auch zu Freundschaften kommen kann. Und dieses kleine »kann« führt dann auch schon zu den Antwort auf eine Frage, die bewegt und sich stellt: Wie finde ich denn Freundinnen und Freunde? Wie finde ich diese seltsame, wunderbare, bereichernde Erfahrung in meinem Leben? Was kann ich dazu tun? Antwort: Wenig bis gar nichts. Freundschaften wollen zwar gepflegt werden, wenn sie halten sollen, aber das gilt für jede andere Beziehung auch. Aber dass ich mit einem anderen Menschen anfreunde, gar die beste Freundin oder einen Freund fürs Leben finde – das kann ich nicht »machen«, das ist Zufall, Schicksal oder ein Geschenk des Himmels, was und wie auch immer Euch und Ihnen am besten gefällt, am ehesten zusagt.

Mir gefällt das letzte am besten, Geschenk des Himmels, weil es für mich zugleich die Überleitung zu etwas sehr Merkwürdigem, aber zugleich auch sehr Schönem ist. Denn Jesus spricht in der Bibel einmal davon, dass diejeinigen, die ihm vertrauen, seine Freunde sind. Ich lese mal, was im Johannesevangelium im Kapitel 15 steht:

Das ist mein Gebot: Ihr sollt einander lieben – so wie ich euch geliebt habe. Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde einsetzt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr meine Gebote befolgt. Ich bezeichne euch nicht mehr als Diener. Ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Ich nenne euch Freunde. Denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe. (Übersetzung: Basisbibel)

Wie ordne ich das jetzt ein auf dem Hintergrund dessen, was wir schon überlegt und uns vor Augen gestellt haben? Freundschaft, eine Beziehung dazwischen, ein Ort des Gleichklangs, des beglückenden Verstehens, oft über lange Zeit haltend und nicht so flüchtig wie manche Liebe? Freundschaft, überraschend, inspirierend und zugleich eine beruhigende Insel im Lauf der Zeit und des Lebens, die viele Stürme überstehen kann? Freundschaft, die auch halten kann, wenn wir uns gar nicht so oft sehen, aber wenn, dann ist es vertraut und einfach nur schön, so wie Glasperlenspiel das besingt?
Zwei Antworten dazu.

1. Vieles von dem, was ich Freundschaft gesagt habe, trifft auch auf die Beziehung zu Jesus und seinem Gott zu.
2. Vielleicht liegt in diesem Bildwort Jesu aber auch eine Provokation: das nämlich das Verhältnis zu Gott anders aussehen könnte, als wir das oft vorstellen.

Gott liebt uns bedingungslos, das ist das Credo, die Grundüberzeugung Jesu gewesen. Dafür ist er eingetreten, von daher hat er gelebt und geglaubt und seine Beziehungen zu Menschen, zu uns Menschen gestaltet. Das ist ein Geschenk, Glauben können wir nicht machen, wir können ihn ersehnen, erhoffen, erflehen – aber das mir die Augen geöffnet werden, und meine Seele sich öffnet und ich von Gottes Liebe erfüllt und durchdrungen werden, das ist ein Geschenk, so wie mir eine Freundschaft zu fällt, und ja auch eine Liebesbeziehung.

Aber darin liegt jetzt noch mal die Provokation. Denn offenbar wollte Jesus mit diesem Satz noch mal einen Akzent setzen. Nicht hier der große Gott im fernen Himmel und dort die kleinen unbedeutenden Sandkörner auf Erden. Nicht hier der Herr und dort die Diener. Nicht hier der allmächtige Vater und dort die andächtig aufschauenden Kinder. Sondern: Ihr seid meine Freunde. Wenn ihr mir glaubt und danach handelt.

Freundschaft. Beziehung auf Augenhöhe. Gleichberechtigte Partnerschaft. Zumindest in bestimmten Bereichen. Denn mit Gott gleichberechtig zu sein, da runzelt manch einer die Stirne oder es läuft kalt den Rücken runter. Da gibt’s dann doch zu große Unterschiede zwischen Gott und mir. Ja. Aber zwischen Jesus und mir ist der schon kleiner.

Jesus, Mensch wie ich und du. Und ja – es gibt auch unter Menschen Freundschaften von sehr unterschiedlichen Menschen. Dass ein Mann mit einer Frau oder umgekehrt »einfach nur« befreundet sein kann, können sich manche nicht vorstellen. Schwierig ist es auch, wenn der Altersabstand groß ist. Ein vertrautes Lehrer-Schüler-Verhältnis okay, aber Freundschaft? Das zeigt schon mal, dass es lohnt, manchmal genau hinzuschauen. Auch hier.

Wenn ihr mir glaubt und meine Gebote haltet, zuallererst das eine, einander zu lieben, und nicht nur die Freundinnen und Freunde, dann seid ihr meine Freunde. Wobei das mit dem Lieben nicht als Bedingung gemeint, wer kann das schon von uns, bedingungslos und vollkommen lieben. Aber als Ziel, als Richtlinie, als Haltung – die anderen Menschen so zu sehen und zu behandeln, dass sie eigentlich alle meine Freundinnen und Freunde sein könnten. Selbst meine Feinde. Das ist gemeint. So hat Jesus es vorgemacht. Das ist der neue Blick.
Deshalb ist Freundschaft so wichtig. Für unsere Beziehungen untereinander jenseits von Liebe, Familie und Arbeit. Zugleich aber als Vorbild für den Umgang untereinander. Und als Symbol, als Bild für Gottes Beziehung zu mir.

Liebe Konfis,
ihr geht in den nächsten Jahren auf euren Wegen nach und nach immer weiter hinaus aus den Familien heraus. Einige werden hier in Voerde bleiben, in der Nähe. Andere werden weit weg gehen. Und ihr werdet auch Liebesbeziehungen, hoffentlich beglückende und möglichst wenig unglückliche. Ihr werdet viele neue Menschen kennen lernen. Und ich wünsche es euch, dass hier wie dort Freunde darunter sein werden. Oder Freundinnen.

Und ich wünsche euch, dass ihr bei all dem aufregenden, spannenden, aber auch angstmachenden Dingen diesen Jesus und seinen Gott nicht aus den Augen verliert. Er ist immer in euer Nähe, liebt euch bedingungslos und bietet ein Freundschaftsverhältnis an. So ausgestattet, seid ihr gut gerüstet und Zukunft muss keine Angst machen. Komme dann, was wolle.

Amen.